Bundeskabinett beschließt BBiG-Entwurf
Entwurf für ein neues Berufsbildungsgesetz bleibt unzureichend
Hans-Jürgen Urban, für Bildungspolitik zuständiges geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall stellt deshalb fest: "Die Reform des Berufsbildungsgesetzes enthält mit Blick auf die Mindestausbildungsvergütung richtige Ansätze. Bei den Bedingungen für die berufliche Ausbildung bleibt sie jedoch weitgehend hinter den Anforderungen an eine zeitgemäße Berufsausbildung zurück."
Mindestausbildungsvergütung kommt
Positiv ist zu bewerten, dass sich die Mindestausbildungsvergütung für Azubis künftig an den tariflichen Vergütungen orientiert. Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, dürfen den Tariflohn ihrer Branche um höchstens 20 Prozent unterschreiten. Diese Regelung wird jetzt gesetzlich fixiert, bisher war sie nur durch die Rechtsprechung festgelegt.
So sieht die vorgesehene schrittweise Einführung der MiAV aus:
1. Ausbildungsjahr 2. Ausbildungsjahr 3. Ausbildungsjahr 4. Ausbildungsjahr
515 Euro (2020) 608 Euro 695 Euro 721 Euro
550 Euro (2021) 649 Euro 743 Euro 770 Euro
585 Euro (2022) 690 Euro 790 Euro 819 Euro
620 Euro (2023) 732 Euro 837 Euro 868 Euro
Ab 1. Januar 2024 wird die MiAV dann jährlich orientiert an den durchschnittlichen Ausbildungsvergütungen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung neu festgelegt.
Es drohen mehr zweijährige Ausbildungen ohne Durchstiegsgarantie
Die IG Metall befürchtet das eine vorgesehene Neuregelung im Gesetz zu mehr zweijährige Ausbildungen führen kann, mit der Folge das diese Ausgebildeten schlechter bezahlt werden und deren berufliche Entwicklung erschwert sein wird. Urban warnt deshalb: "Mit dem BBiG wird unter den Facharbeitern eine Zweiklassengesellschaft forciert." Die Arbeitgeber können zweijährige Ausbildungen anbieten, ohne dass es für Azubis einen Anspruch gibt, danach in eine drei oder dreieinhalbjährige Ausbildung durchzusteigen. "Damit wird die längere Ausbildung vom Wohlwollen des Arbeitgebers abhängig gemacht. Ausbildungswilligen jungen Menschen wird eine Hürde errichtet, anstatt ihnen den Weg zu einer guten Ausbildung zu ebnen. Das ist das Gegenteil von dem, was die moderne Arbeitswelt erfordert."
Duales Studium: Fehlanzeige
Nicht nachvollziehbar ist auch, dass die Praxisphasen im dualen Studium nicht in das novellierte BBiG aufgenommen wurden. Gesetzliche Schutzbestimmungen und die Kriterien zur Qualitätssicherung des BBiG gelten für diese Studierenden nicht. "Das duale Studium ist eine Ausbildungsform der Zukunft. Hier brauchen wir verbindliche Qualitätsstandrads und zeitgemäße Formen der Mitbestimmung. An dieser Stelle versagt der Gesetzesentwurf schlichtweg," kritisiert Urban.
Prüfungswesen mit Licht und Schatten
Positiv ist, es bleibt bei der Parität im Prüfungswesen und es soll für die vorschlagsberechtigten Gewerkschaften die Transparenz im Berufungsverfahren verbessert werden. Es wird allerdings neu die Möglichkeit einer Prüferdelegation geschaffen, diese muss aber paritätisch besetzt sein und kann nur im Einvernehmen mit dem Prüfungsausschuss erfolgen. Damit bleibt das Prinzip der Parität gewahrt. Sehr problematisch bleibt, dass Auswertungen von Multiple-Choice-Aufgaben zukünftig ungeprüft zu übernehmen sind.
Eine Stärkung des Ehrenamtes im Prüfungswesen fehlt, hier gibt es für Prüfer/innen keine Verbesserungen. Die IG Metall hat die Würdigung des Ehrenamts, durch eine Freistellungsregelung bei Fortzahlung des Einkommens gefordert. Das ist wohl am massiven Widerstand der Arbeitgeber und des Wirtschaftsministers gescheitert. Die IG Metall hat vorgeschlagen eine Regelung zu schaffen, wie bereits bei den Gesellenausschüssen im Handwerk oder für das Ehrenamt in der freiwilligen Feuerwehr. Betriebe müssen hier unter Fortzahlung der Bezüge freistellen und können sich diese Ausgaben dann von der zuständigen Stelle erstatten lassen.
Keine Verbesserungen für Auszubildende und Ausbildungspersonal
Rund ein Drittel der Auszubildenden ist mit der Qualität der Ausbildung nicht zufrieden, so der jährliche Ausbildungsreport des DGB. Konkrete Vorschläge für Verbesserungen der Qualitätssicherung wurden im Gesetzentwurf nicht aufgegriffen - wie beispielsweise
- eine stärkere Verbindlichkeit von betrieblichen Ausbildungsplänen,
- die Anrechnung von Berufsschulzeiten oder
- die Verbesserungen bei Lehrmitteln, Fahrt- und Unterbringungskosten
Die betriebliche Ausbildung steht zunehmend unter Kostendruck, die Möglichkeiten des Ausbildungspersonals werden immer enger. Vorschläge, die Ausbildereignungsverordnung gesetzlich verbindlich zu verankern oder Weiterbildungsansprüche für das Ausbildungspersonal vorzusehen, wurden ebenfalls ignoriert. Gerade für sich wandelnde Anforderungen infolge der Digitalisierung wären solche Impulse für die Qualifizierung des Ausbildungspersonals wichtig.
Vorschläge zur beruflichen Fortbildung bleiben umstritten
Die berufliche Aufstiegsfortbildung soll zur höherqualifizierenden Berufsbildung werden. Für die drei Stufen der beruflichen Fortbildung sollen einheitliche, eigenständige und die Gleichwertigkeit mit hochschulischen Abschlüssen aufzeigende Abschlussbezeichnungen "Berufsspezialist/in", "Bachelor Professional" und "Master Professional" eingeführt werden. Der Vorschlag wird insbesondere von den Ländern und den Hochschulen kritisiert. Angesichts des sich abzeichnenden Konfliktes ist eher fraglich, ob diese Neuregelung wirklich eine Hilfe hinsichtlich Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung ist. Die neue Bezeichnung der höherqualifizierenden Berufsbildung wirkt eher sperrig.
Qualitätssicherung der Fortbildung auf der Strecke geblieben
Die von der IG Metall vorgeschlagene einfache und wirksame Qualitätsverbesserung, Fortbildungsrahmenpläne oder Inhaltspläne zur Orientierung für Lernprozesse gesetzlich zu verankern, wurde nicht aufgegriffen. Mit Fortbildungsrahmenplänen würde Fortbildungsinteressierten etwas an die Hand gegeben, um die Angebote von Bildungsanbietern qualitativ zu prüfen und sich besser zu orientieren. Bildungsanbieter bekämen hilfreiche Orientierungen für die Gestaltung ihrer Angebote.
Ausbildungsordnungen im Konsens der Sozialpartner bleibt ungesichert
Das Konsensprinzip, dass nur Ausbildungsordnungen, die die Zustimmung beider Sozialpartner haben, verordnet werden, hat keinen Eingang in den Gesetzentwurf gefunden. Damit bleibt es der Praxis des jeweiligen Ministers überlassen, ob Ausbildungsordnungen auch ohne Zustimmung eines Sozialpartners erlassen werden. Was es bedeutet, wenn sich ein Minister nicht mehr an den Konsens gebunden fühlt und damit das Verhandlungsgleichgewicht abschafft, konnten die Gewerkschaften unter Wirtschaftsminister Wolfgang Clement leidvoll erfahren. Die Wünsche der Arbeitgeber wurden einseitig erfüllt, damit waren Gewerkschaften nur noch Bittsteller. Eine bittere Erfahrung für die Mitbestimmungsakteure in der beruflichen Bildung in den Gewerkschaften.
"Insgesamt fehlt dem Gesetzentwurf der Wille, die berufliche Ausbildung attraktiver zu machen und junge Menschen auf die neue Arbeitswelt vorzubereiten", so das Fazit von Urban.
Bildungspolitik
- Anhörung zur Modernisierung des BBiG
- Heute geht es nicht um die Wurst sondern ums BBiG
- 2te Stellungnahme des DGBs
- Linke fordert Berufsbildungsqualitätsgesetz
- BBAktuell: Kein großer Entwurf
- Bundeskabinett beschließt BBiG-Entwurf
- 2019_01_BBAktuell_SONDERAUSGABE PDF (1811 KB)
- BMBF - Referentenentwurf BBiMoG (2018.12.19) PDF (477 KB)
- Bewertung der BMBF-Vorschläge zur Reform des Berufsbildungsgesetzes PDF (1445 KB)
- Stellungnahme des DGB
- DGB Kurzinfo "Berufsbildungsmodernisierungsgesetz" PDF (143 KB)
- DGB kalkuliert MiAV
- Beschluss des SPD-Parteivorstands (28.01.19)
- DIE LINKE Position